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Newsletter August 2012

Kopfüber

 

Moin, moin, ich muss euch diesmal eine Story von meinem Bruder Quirino berichten. Wie immer typisch, für Quirino! Wieder einmal möchte ich euch von den Erlebnissen mit meinem Bruder Quirino erzählen.

 

 

Wuotan erzählt

 

Meinem Hundebruder, der immer etwas neugierig, vom Trieb gesteuert, noch überaus verspielt ist und der die Gefahr trotzend und sie nicht sehen wollen, etwas paddelig ist. Wird der denn nie erwachsen, denke ich mir oft. Mein armes Frauchen blieb fast das Herz stehen. Ich sah es genau, sie hielt den Atem an, wurde schon etwas rot im Gesicht, bevor sie mit ziemlich barscher, lauter Stimme rief: “Quirino, hierher, aber flott!“ Doch da war es schon zu spät.

Fange ich doch einmal von Anfang mit meiner Erzählung an. Wir waren unterwegs mit der Wohndose, unserem Wohnwagen. Kurz bevor wir los fuhren, war CitaKatz noch einmal in den Wohnwagen gesprungen und hatte alles ab beschnubbert und sich genüsslich auf dem Tisch gewälzt. Beim herausgehen hörte ich sie noch flüstern:“Ich hasse euch Elos, ganz besonders Quirino, der ist Schuld, dass ich nicht mehr mit genommen werde. Ich wünschte, er wäre nie zu uns gekommen. Am Besten, er wäre tot. Hex, hex!“

Oh weh, dachte ich mir und sah sie gar nicht erst an. CitaKatz hat wohl ganz vergessen, warum sie in Wirklichkeit nicht mehr mitkommt. Immer springt sie nachts umher und weckt meine Zweibeiner. Quälte sie doch mein Frauchen mit ihrem ständigen Gemauze, will rein, will raus und ist unzufrieden.Die letzte Tour noch Timmendorf vor ein paar Jahren hatte den Ausschlag, dass sie nicht mehr mitkam. Quirino war damals gerade ein paar Monate alt. Sie verprügelt ihn ständig, nur weil er immer hinter ihr her stiefelte. Jede Nacht hat sie ein Katzentheater gemacht und genervt. Ich sage euch, so sehr können nur Katzen nerven. Ich erkenne sie ja an in ihre Rolle als „Chefin“, aber sie ist nur die Chefin der Katzen und da wir nur einen Katze haben ist sie allerdings auf einen sehr verlorenen Posten. Ich bin der Chef der Hunde. Und immerhin gibt es ja zwei Rüden in diesem Haushalt. Doch ich schweife ab. Bei der großen Packaktion vor unserer Abreise war ich noch etwas unsicher, ob wir wohl mitkommen. Aber da unser Rucksack auch eingepackt wurde, war bald alles klar für mich. Dieses mal fuhren wir wieder nach Dokkum. Das ist in den Nederlanden/Friesland. Ich war hier schon mehrmals.

Guck mal hier: http://www.frieslanderleben.nl/elf-stadte/alle-elf-friesischen-stadte/dokkum

Wunderbare Erinnerungen habe ich an diesen Ort. Diese Gerüche auf den Befestigungsanlagen, den Wallanlagen, die die Stadt umgeben - herrlich intensiv und animalisch. Hier riecht man noch den Mief und Modder aus dem Mittelalter - ehrlich. Gute Nasen müsste „Mensch“ haben, dann könnte er es auch riechen. Dokkum wird häufig in einem Atmzug mit Bonifatius genannt, so sagte es jedenfalls die Stadtführerin. Wer war eigentlich Bonifatius und was passierte vor um1250. Wer das genau wissen will, der klickt mal hier:

 

http://www.dongeradeel.nl/index.php?simaction=content&mediumid=1&pagid=509&stukid=2055

 

Diese holländischen Hunde sind auch immer sehr direkt. Einmal geguckt und schon sagen die einem ins Gesicht, dass man abhauen soll oder man darf mal schnüffeln, bekommt oft dann aber gleich eine gefegt. Jeden Tag gingen wir ein wenig auf den Wallanlagen entlang. Herrlich unter Lindenbäumen bummelten wir herum. Wir Hunde markierten hier, markierten dort, schnüffelten ein bisschen, lösten uns, lasen viele Botschaften und war recht entspannt. Unsere Zweibeiner auch. Eigentlich waren alle zu entspannt. Denn immer, wenn keiner damit rechnet, passiert etwas. Nachdem dritten Tag kannten wir uns ja schon etwas auch und wir durften ohne angeleint zu sein, spazieren gehen. Das war ein fataler Fehler, wie sich herausstellte. Auf dem Zuidbolwerk befindet sich der alte Friedhof der Stadt. Der Dokkumer Dichter Camphus ist hier begraben, las unser Frauchen gerade laut vor. Herrchen stand neben ihr und las aus dem Reiseführer etwas von der mittelalterlichen Kanone und der Leugenband (Lügenbank).

Auf dieser Lügenbank erzählen sich die Dokkumer einander richtiges Seemansgarn. Herrchen las gerade den Text laut vor: Je mutte mar hoarre wie t`seit“ (Hör bloß an, wer das erzählt) als es geschah.

Quirino rannte bei dem alten Friedhof die Wallanlage herunter und sprang in den Kanal. Wohlgemerkt handelt es sich hier um einen breiten beschiffbaren Kanal.  Auf der anderen Seite des Kanals stand ein Hund. Dieser fiepte ein wenig und machte Spielaufforderungen. Das war für Quirino ein eindeutiges Signal. „Hurra, da ist ein Hund und der will mit mir spielen.“ Also die Badehose an und herüber. Quatsch. Hunde tragen doch keine Badehose. Also - Leinen los und ab geht es. Auch Quatsch! Die Leinen bei den Hunden waren ja schon los und den Gurt kann man als Hund ja beim Schwimmen um behalten. Quirino schwamm also voller Freude und Neugierde zu der anderen Seite des Kanals. Er versuchte es jedenfalls.Ich bellte aufgeregt, wurde von Herrchen ermahnt, still zu sein, denn er las noch bei den Inschriften bei der Lügenbank. Frauchen war, wie schon erwähnt, erst kreidebleich, dann puterrot. Also sie sich von ihrem Schrecken erholt, hatte rief sie nach Quirino. Herrchen blieb ganz gelassen, denn er hatte die Situation noch nicht erfasst. Er meinte nur, dass Frauchen nicht so hysterisch brüllen sollte.

Doch dann sah er auch das ganze Ausmaß des nahenden Unglücks. Eine Segelyacht, ca. 15 m lang, fuhr unter Motor dem Kanal entlang. Die Zweibeiner der Yacht sahen von ihrem Steuerstand den Hund Quirino nicht im Kanal schwimmen. Der Hund auf der anderen Seite fiepte nunmehr aufgeregt. Er war angeleint und sein Herrchen starrte ebenfalls wie gebannt ins Wasser. Mir, Wuotan, stockte ebenfalls der Atmen, denn der besserer Schwimmer von uns beiden war eindeutig ich. Und Quirino? Erst schwamm er noch voller Freude und Energie, doch dann zog sich das Wasser mehr und mehr in sein Fell. Sein 19 10 11 Zingst Q 059Unterfell sog sich voll. Es zog ihn sehr nach unten. Er kraulte und kraulte, doch das der Kanal so breit war, hatte er auch nicht bedacht. Der Hund auf der anderen Seite schien auf einmal auch nicht mehr so interessiert an Quirino zu sein. Der fiepte und quengelte und wollte augenscheinlich nicht etwa ins Wasser zu Quirino, sondern nur seinen blöden Ball aus dem Wasser fischen. So einen blöden gelben Tennisball. Also war nicht etwa Quirino Objekt des Begehrens, sondern nur dieser blöde Ball. Als Quirino dies erkannte war es fast schon zu spät. Zu spät zum Wenden und zu spät, weiter zu schwimmen. Er konnte einfach nicht mehr. Am Uferrand standen seine Zweibeiner und sein Bruder. Erst dachte Quirino ja noch, dass sie im Beifall klatschten, doch als er die scharfe und laute Ansprache von Frauchen hörte, wusste er, dass war nicht richtig und auf keinen Fall Ausdruck der Freude. Quirino schluckte Wasser. Einen leichten Wellschlag hatte die Segelyacht verursacht. Hautnah fuhren sie an ihm vorbei und riefen ihm etwas zu. Dann verlor Quirino den Bezug zur Realität oder das Bewusstsein. Er flog durch die Lüfte. Nicht etwa, dass das Wasser ihn nach unten zog. Nein, er flog durch die Luft und erwachte mit einem fürchterlichen Würgen auf den Planken der Segelyacht. Der Kapitän der Segelyacht hatten ihn sozusagen mit dem Enterhaken an seinem Hundegurt geentert – besser noch gerettet. Sie trugen ihn in die Kajüte und wickelt ihn in ein HandtuchWuotan auf dem Schiff und rubbelten ihn dort trocken. Na, du kleiner Kerl, dass ist doch noch gut gegangen, meinte er zu Quirino. Aah, geretttet, dachte Quirino. An der nächsten Anlegestelle standen dann seine Zweibeiner und Wuotan und nahmen ihn, den kleinen Draufgänger in Empfang. Alle waren froh, dass der Kopfsprung von Quirino doch noch ein gutes Ende gefunden hatte. Ich habe ihn erst einmal abgeschnüffelt, ein wenig in die Seite gestupst und ins Ohr gebellt. Mein Bruder ist schon ein einer von der ganz besonderen Sorte. Ein wasserbegeisterter Elo eben, allerdings mit NULL Empfinden für Gefahr.

Und der Hund von der anderen Kanalseite? Der lief stolz mit seinem blöden gelben Tennisball im Maul auf der Befestigungsanlage Richtung Stadt. Eins sage ich euch, liebe Leser/innen kopfüber wird Quirino nie wieder einfach in einen Kanal springen. ABER – nunmehr saßen gemütlich unter einer Linde auf der Lügenbank und Frauchen hat sich wieder einmal diese kaum glaubhafte, haarsträubende Geschichte erzählt.

Alles ausgedacht oder doch ein Fünkchen Wahrheit? Nur gut, dass Quirino putzmunter und etwas nass neben uns saß, sonst wäre der verhexte Wunsch von CitaKatz doch noch Wirklichkeit geworden. Ich, Wuotan sprang auf die Lügenbank und guckte auf den Kanal. Insgeheim bewunderte ich meinen Bruder Quirino für seinen jugendlichen Übermut.

 

Leben allein genügt nicht, sagte der Schmetterling,

Sonnenschein, Freiheit und einen kleinen Blume muss man auch haben.

 

(Hans Christian Andersen)