„Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.
Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus.
Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt
so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.1)
Wau, die ganze Zeit sang mein Frauchen dieses Lied. Wir machten unsere Tour über die Wiesen. Überall blühte der Löwenzahn. Leuchtend gelb. Die Farbe der Löwenzahnblüten harmoniert gut mit meinem Fell, meint mein Frauchen. Sie wollte mal wieder eine Abkürzung über die Wiesen machen, um zur Hunte zu kommen. Die Hunte ist ein kleiner Fluss bei uns. Der Teil der Hunte, der beschiffbar ist, endet in der Weser und die wiederum bekanntlich in der Nordsee.
„Der Fluss entspringt im Wiehengebirge südlich von dessen Hauptkamm nördlich von Melle (Landkreis Osnabrück) westlich des Weilers Hustädte beim Stadtteil Buer …. .In Oldenburg knickt die Hunte nach Nordosten ab und gelangt ins Marschland. Sie bildet hier die Grenze zwischen dem südöstlich gelegenen Stedingen dem bis an den Jadebusen reichenden Stad land. Nördlich von Elsfleth mündet sie in die von Südosten kommende Weser. Durch Eindeichungen im Zusammenhang mit dem Bau des Huntesperrwerks ist Elsfleth aus einem Hafen am Weserarm Westergate zu einem Hafen an der Hunte geworden.“ 2)
Aber ich schweife ab, doch ich dachte mir, ein wenig Heimatkunde kann ja nicht schaden, denn ich armer Hund muss es mir ja auch von meinem Frauchen anhören.Also, wir wollten eine Abkürzung nehmen. Es war seit April schon schön draußen. Die Bauern hatten die Pferde und die Kühe auf die Wiesen gebracht. Auch in unserem Wandergebiet standen schon einige Kühe auf der Wiese. Die ganze Zeit haben wir gebührenden Abstand gehalten. Gerade erzählte mir mein Frauchen etwas aus ihrem Leben, da hörte ich in der Ferne ein grummeln, ein trampeln und ein schnaufen.
Mein Frauchen rief: „ Achtung Wuotan, die Rindviecher kommen!“ Na klar, nun war es soweit, nicht die Bäume schlugen aus, sondern die Kühe kamen angerast, direkt auf uns zu. Mein Frauchen lief schnell Richtung Zaun und auf einmal…. ? Oh, weh - sie stolperte doch tatsächlich über einen Maulwurfshügel. Ich war ja schon einige Meter voraus. Gerade war ich unter dem Zaun hindurch, rief Frauchen nach mir. Nein, sie schrie: „Wuotan, hilf mir!“
Na, die ist gut. Ich konnte sie ja nur schwerlich über die Wiese bis zum Zaun ziehen. Sie hatte sich den Fuß verknackst. Da lacht man (Hund) sich doch schlapp, über einen Maulwurfshügel zu stolpern. Mein Frauchen lag zwischen all den schönen Löwenzahnblumen und dem kleinen schwarzen Erdhügel.
Die Rindviecher kamen näher und näher. Zugegeben, Frauchen sah urkomisch aus. Sie lag da und jammerte. In der einen Hand hatte sie ihren Working Stock, in der anderen Hand einen Löwenzahnblumenstrauß und Lindenzweige. Ihr Fuß hing merkwürdig quer und die Rindviecher kamen schnaufend näher.
Es nützt ja nichts, es ist ja mein Frauchen und ich muss sie beschützen. Ich also ab unter Zaun hindurch, zurück auf diese blöde Kuhweide. Dann rannte ich, nein ich raste so schnell ich konnte auf die Kühe zu. Nicht laut bellend oder kläffend, sondern ganz leise. Kurz vor diesen Rindviechern, es war eineganze Herde von mind. fünf Kühen, bremste ich ab, duckte mich und pirschte mich ran.
Einkreisen war die Devise, so wie es die Hütehunde machen. So drängte ich die Kühe auch zurück, weg von meinem Frauchen. Lauerstellung einnehmen, ducken, tarnen, langsam voran schleichend. Eine Kuh ist ein ernstzunehmender Gegner, hat mir mal ein Border Collie anvertraut. Also vorsichtig sein. Die Border Collie müssen es ja wissen, denn die sind zum Hüten geboren. Wenn nichts geht, wird so ein Rindvieh auch mal von dem Hütehund in die Beine gezwickt. Können sie sich vorstellen, wie groß Kühe sind und dann noch fünf auf einen Haufen, die zum Angriff gerüstet schienen.
Freunde ich sage euch, die Kühe blieben plötzlich stehen, schauten mich an, dann kam eine große Kuh mit einem riesigen Euter langsam und bedächtig auf mich zu und meinte: „Ich heiße Martha und wer bist denn du?“ Da war ich baff, sprach die doch mit mir, diese schwarzbunte Kuh. Nun ja, wir kamen ins Gespräch und was soll ich sagen, ein Wort gab das Andere. Mein Frauchen bekam freies Geleit. Vorsichtig krabbelte sie Richtung Zaun, stützte sich auf ihren Stock und humpelte zum Auto. So habe ich also mein Frauchen gerettet. Martha, die schwarzbunte Kuh muhte noch hinter uns her. Ich drehte mich noch einmal gelassen um und machte „Wuff!“zu ihr. Die Kühe schlugen also nicht aus. Die Bäume haben keine Füße und keine Beine.
Alles nur Hexerei, Spinnerei - immerhin ist nun Mai.
Quellenangaben:
1)Worte: Emanuel Geibel 1834 ((* 17. Oktober 1815 in Lübeck; † 6. April 1884 in Lübeck) ein deutscher Lyriker.); Weise: Justus W. Lyra 1842 ((* 23. März 1822 in Osnabrück; † 30. Dezember 1882 in Gehrden) war ein Pastor in Bevensen und Gehrden, der 1843 die Melodie zu Emanuel Geibels Gedicht “Der Mai ist gekommen” komponierte.)
In den Augen meines Hundes
F. Kempner
2) siehe Wikipedia